Der Fall des Lemming by Stefan Slupetzky

Der Fall des Lemming by Stefan Slupetzky

Autor:Stefan Slupetzky
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2012-04-29T10:21:58+00:00


14

Orangenduft lag über Israel. Ein warmer Wind trug ihn von den Hainen her über das Land, trieb ihn durch Städte und Dörfer und weit in die Wüste hinein. Janni streckte den Kopf aus dem Wagenfenster und zog tief die Luft in seine Lungen.

Es war der Sommer 1987, vorerst der letzte gute Sommer für Touristen. Kaum ein halbes Jahr später würde die Intifada beginnen, der Aufstand der Palästinenser, und würde sich von Gaza und dem Westjordanland wie ein Lauffeuer ausbreiten. Geballte Fäuste, geworfene Steine, Kampfgebrüll, ein Schuss, eine Bombe, ein Blutbad in der Menge, dann Granaten, Panzer, Krieg. Einmal mehr würde die Gewalt noch mehr Gewalt gebären. Einmal mehr würden aus geschlagenen Kindern schlagende Eltern werden, um den Hass zu vermehren, zu pflegen und weiterzugeben wie einen Schatz, der die Generationen wach und lebendig erhält.

Frühmorgens war die Bonita in Haifa eingelaufen, der Stadt mit dem größten Hafen Israels, am Fuße des Karmelgebirges. Sie sollte hier einige Zeit vor Anker liegen; es galt, die Fracht zu löschen, das Schiff neu zu beladen und Treibstoff zu bunkern. Außerdem wollte der Kapitän einen Doktor aufsuchen, wie er sagte. Doch er wirkte rundum gesund, und es ging das Gerücht, bei dem Doktor handle es sich weniger um einen Arzt als vielmehr um einen jungen Friseur. Wie auch immer, Janni bat um Urlaub, und er erhielt gerade drei Tage; genug, um Palästina zu durchqueren, zu wenig, um es zu erkunden. Aber es gab eine Stelle im Süden, zu der es ihn vor allen anderen zog, einen von Hunderten magischen Orten in einem magischen Land. Es war eine Stelle, deren Geschichte Janni anrührte und beschäftigte, seit er das erste Mal darüber gelesen hatte.

Zunächst brach er mit dem Bus nach Tel Aviv auf. Und kaum zwei Stunden später ließ er sich durch den schattigen, menschenbrodelnden Markt unweit des Busbahnhofs treiben, bummelte durch die noble Dizengoff mit ihren ungezählten Juwelierläden und gelangte gegen Mittag auf die Sheinkin inmitten des Studentenviertels. Hier ließ er sich in einem der Straßenlokale nieder, um seinen ersten israelischen Kaffee zu bestellen.

«Filter, Botz or Nes?», fragte der junge Kellner gelangweilt. Und fügte, noch bevor Janni antworten konnte, hinzu: «They all taste like shit.»

«Bring me some … Botz, please.»

Es war die Variante, von der Janni nie zuvor gehört hatte.



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